Kama, Nichogama (, 二丁鎌)




Die Sichel ist als „Kama“ (jap. ) in den okinawesischen und japanischen Kampfkünsten, als „Lian“ (chin. ) in verschiedenen Kung Fu Stilen und als „Celurit“ im Pencak Silat bekannt. Sie ist eine in vielen asiatischen Kampfkünsten verbreitete Klingenwaffe, deren Ursprung auch heute noch klar zu erkennen ist. So findet man immer noch gewisse Modelle dieser „Waffe“ in etlichen asiatischen Gartenzubehör-Läden.

Lian
Celurit

Der erste Gebrauch der Kama als eigentliche Kriegswaffe auf dem Schlachtfeld wird in folgender Legende beschrieben:
„Gemäss einiger Aufzeichnungen geht die Nutzung der Kama als Waffe zurück bis ins 7. nachchristliche Jahrhundert. 645 n. Chr. bezwang Nakatomi no Kamatari (614 - 669), später bekannt als Fujiwara no Kamatari, Soga Emishi und dessen Sohn Iruka. Diese beiden hatten zuvor Yamahiro no Oe no O, einen der Anwärter auf die kaiserliche Krone, angegriffen. Sie wollten selbst die Macht ergreifen und zwangen den Thronanwärter, Selbstmord zu begehen. Der Aufzeichnung nach betete Nakatomi no Kamatari zu den Göttern für Erfolg im Kampf, bevor er in die Schlacht aufbrach. Da erschien plötzlich ein Tenko (ein göttlicher Bote in der Form eines Fuchses), gab ihm eine Kama und lehrte ihn geheime Techniken. Indem er diese Techniken benutzte, gewann Kamatari der Überlieferung nach die Schlacht. Später gründete er seine eigene Bujutsu Ryuha (Koden Ryu).“

Wesentlich interessanter als die Frage, wann denn nun dieses Werkzeug erstmals als Waffe eingesetzt wurde, ist jedoch die Entwicklung, die sie vom handlichen kurzen Gartengerät zur teilweisen meterlangen Kriegswaffe mit stärkeren und längeren Klingen durchlaufen hat.

In der Folge sollen nun vier der kriegerischen Varianten dieser Waffe vorgestellt werden, wie sie zum Beispiel im Araki-, Isshin-, Maniwa Nen-, Toda- oder Yoshin-Ryu zu finden sind.


Naigama (薙鎌)



Hierbei handelt es sich um eine extra lange Variante der Kama. Die Klinge ist an einem über 7 Shaku (ca. 210 cm) langen Stab befestigt und wurde in dieser Art bereits vor den Genpai-Kriegen (1180 - 1185) eingesetzt.
Die Naigama (薙鎌) oder auch als Kama-Yari bekannte Waffe gehört eigentlich zu der Familie der Yari (Speere). Ihr erstes Radikal der japanischen Schreibweise bedeutet „niedermähen“ und sie wurde dazu benutzt, um die Gegner eben sprichwörtlich „niederzumähen“ und ihnen Beine, Hände oder Hälse sowie die Beine der Pferde abzutrennen.
Diese Waffe wurde ebenso in Seeschlachten benutzt, um die Takelage gegnerischer Boote zu zerstören oder sie heranzuziehen, um sie zu entern. Somit ist auch die Herkunft des zweiten Namen dieser Waffe erklärt, denn Funayosegama (舟寄せ ) bedeutet soviel wie „Kama zum Schiffe einholen“.


Sogama (双鎌)



Ein wenig kürzer als die Naigama, aber immer noch eine ziemlich lange Waffe, ist die so genannte Sogama (双鎌, „doppel [Klingen] Sichel“). Diese Waffe hat eine Länge von etwa 5 Shaku und 5 Sun (ca. 167 cm) und eine Doppelklinge von 3 und 4 Sun (ca. 9 cm und 12 cm) Länge.


Jingama (陣鎌)


Eine etwas kompaktere Krieger-Sichel war die „Jingama“ (陣鎌). Der Name dieser Waffe besteht aus den zwei Schriftzeichen „jin“ und „kama“, wobei das erste so viel bedeutet wie „Feldlager“ und das zweite wiederum „Sichel“.
Die Jingama, oder „Feldlagersichel“ wurde sowohl zum Kämpfen als auch zum Grasschneiden benutzt, wenn der Platz für das Feldlager vorzubereiten war. Zudem war die Jingama eines der „Umagoya Sangu“ (drei Stallwerkzeuge) und wurde zusammen mit anderen Werkzeugen dazu benutzt, für Pferde Gras zu schneiden oder sie schnell aus dem Stall zu befreien, falls dieser durch einen feindlichen Angriff Feuer gefangen hatte.
Die Jingama war aber nicht nur eine Waffe für niederrangige Krieger sondern wurde auch teilweise von höherrangigen Kriegern getragen, so wie der „Saihai“ (Feldherrenstab mit einer Quaste aus Haaren oder Papier daran befestigt), der „Gunbai“(ein schwerer Kriegsfächer) und der „Gunsen“ (ein geöffneter Kriegsfächer) als Zeichen der Befehlsgewalt bzw. um Truppen zu kommandieren.
Saihai
Gunbai

Gunsen

Kusarigama (鎖鎌)



Eine Theorie besagt, dass sich das Kusarigama (鎖鎌) aus dem Jingama entwickelt haben soll. Der Ursprung dieser Waffe ist nicht geklärt. Es ranken sich viele Geschichten darum, z.B. wird erzählt wie 1400 n.Chr. der Sohei (Kriegsmönch) Jion eine Vision hatte. In dieser ist ihm eine Gottheit erschienen, die in einer Hand eine Sichel und in der anderen eine Kette mit Gewicht hielt. Diese Vision inspirierte ihn dazu das Kusarigama zu entwickeln. Jion ist der Begründer des Nen-Ryu.

Vom Kusarigama gibt es etliche Varianten. Dies beginnt mit der Art der Klingen, z.B. gekrümmte, lange oder kurze ein oder auch doppelseitig geschliffene. Desweiteren kann der Befestigungsort der Kette variieren. Die Kette kann am Soko oder am Kashira befestig sein. Bei der Befestigung am Soko muss man noch einmal differenzieren zwischen Kama mit Parierkörben/Handschutz (Goken) die an der Klinge befestig sind, und Kama ohne oder mit Goken am Soko. Die Variante mit Goken an der Klinge ist die des Isshin-Ryu’s, welches auch eine doppelseitig geschliffene Klinge aufweist und nur im Toku-Gyakute-Mochi geführt wird. Ein weiterer Punkt, in dem sich die Kama unterscheiden, ist die Länge der verwendeten Kette. Diese können von 0.7- 3.6 m lang sein. Bei Kusarigama (kurze Kette am Kashira), wie sie im Kiraku ryu (ca. 70 cm lange Kette) verwendet werden, ist es möglich die Waffe auch einhändig zu führen, und die Kette mit den Kama zu schwingen. Der Nachteil bei dieser Art ist, dass man den möglichen Distanzvorteil verliert, den lange Ketten haben.

Araki Ryu1.5 Armspannenca. 2.1-2.4 m
Kiraku Ryu0,5 Armspannenca. 70-80 cm
Nikko Ryu1.5 Armspannenca. 2.1-2.4 m
Suio Ryu / Masaki Ryu2 Armspannenca. 2.8-3.2 m
Takenouchi Ryu1.5 Armspannenca. 2.1-2.4 m
Isshin Ryu12 Shakuca. 3.6 m


Über das Kusarigama gibt es mehrere Geschichten, die den Respekt der Samurai vor einem Gegner mit dieser Waffe verdeutlichen. Eine Geschichte stammt aus dem Yagyu Shinkage Ryu (Schwertschule) und erzählt davon, wie ein reisender Schüler in einen Ort kommt, in welchem er von einen ortsansässigen Meister des Kusarigama verhöhnt wird. Der verhöhnte Schüler fordert daraufhin den Meister zu einem Duell. Da er den Nachteil des Katana gegen eine Kusarigama im Kampf kannte, wählte er eine Lichtung in der Nähe eines Bambushains aus. Als das Duell begann, liess sich der Schüler in den Bambushain zurückdrängen, in welchem die Kette nicht mehr vorteilhaft eingesetzt werden konnte und hatte so den Vorteil auf seiner Seite und konnte den Meister mit dem Kusarigama schlagen.



Eine andere Geschichte berichtet davon, wie Miyamoto Musashi gegen einen Krieger namens Baiken Shishido kämpfte, der mit Kusarigama bewaffnet war. Als Musashi die Kontrolle über sein Schwert durch die Kette verlor, und Shishido sich schon im Angriff mit dem Kama befand, hat Musashi sein Wakizashi als Wurfmesser genommen und den Angreifer damit getötet. Andere Quellen sagen es war eine Art von Shuriken, aber das Wichtige an diesen Geschichten ist, dass beide gute Schwertkämpfer waren und aus Respekt vor dem Kusarigama auf unkonventionelle Methoden zurückgegriffen haben, um den Kampf zu gewinnen.



Die Bedeutung dieses Gerätes/Waffe spiegelt sich auch in den Kamon wieder, den japanischen Familien Wappen. Es gibt einige Wappen, die das Kama oder auch Kusarigama enthalten. Die Führung des Kama im Wappen sagt nicht aus, dass die Familie aus guten Kama-Kämpfern oder ihre Wurzeln in de Kriegskünsten hatten, sondern es waren z.B. Händler, die mit Gartenwerkzeugen oder Reis handelten.



All diese Arten von Kriegskama findet man jedoch nur in den diversen Koryu Bujutsu Ryu(ha). In den Kampfkünsten des Ryukyu-Archipels werden mit wenigen Ausnahmen die normalen Bauernwerkzeug-Sicheln, in Armlänge oder auf einen Rokushakubo befestigt, benutzt.

Kama
Rokushakugama

Die Länge der im Okinawa Kobudo benutzten Kama ist, wie bei vielen anderen Waffen, körperabhängig. So entspricht die Länge des Griffes in etwa der Länge des Unterarms plus der Länge der Hand, so dass bei ausgeführtem „Gyakute Mochi“ die Monouchi die Verlängerung des Ellbogens ist.
Gyakutemochi
Hontemochi




Einige Meister (Gakiya Yoshiaki, Chinen Kenyu, Demura Fumio) beherrschen auch heute noch die Kunst, die Kama nicht nur an den Griffen zu halten, sondern sie auch an ca. 2 Meter langen Schnüren mit grösster Präzision ins Ziel zu führen.
So war auch Matayoshi Shinko ein grosser Könner dieser Waffe und bekam so den Beinamen „Kama no Mateshi“ (Matayoshi der Kama) als er im Jahre 1915 zusammen mit Gichin Funakoshi anlässlich einer grossen Zeremonie am Meiji-Shrine in Tokyo, vor dem ganzen Hofstaat eine Karate und Kobudo-Vorführung gab.

Hier noch einige Kata verschiedener Kobudo-Ryu


Name der KataÄra der GründungZeitraum
Hamahiga no KamaRyukyu-Königreich1414 - 1867
Kanegawa no KamaRyukyu-Königreich1414 - 1867
Sagami (ki) no KamaRyukyu-Königreich1414 - 1867
Tozan oder Toyama NichogamaRyukyu-Königreich1414 - 1867
Matayoshi no KamaTaisho-Periode1912 - 1926
Nakazato no KamaShowa-Periode1926 - 1989
NichogamaShowa-Periode1926 - 1989


Herzlichen Dank an Thomas Mayer-Gall (Cheftrainer Kamajutsu des Kobudo Kwai Deutschland) für den Text des Kusarigama und der Kamon.