/ Kun



In den japanischen wie auch okinawesischen Kampfkünsten verwendet man den Begriff Bo (okinawesisch 'Kun', ) für den Stock als Waffe. Bo bzw. Kun (starke Ähnlichkeit zu der chinesischen Bezeichnung k'un bzw. gun) ist eigentlich die übergeordnete Bezeichnung für alle Stockwaffen, hat sich jedoch in neuerer Zeit als Begriff für den Langstock (Rokushaku Bo, 六尺棒) durchgesetzt. Der Stock gilt als die älteste Art der Waffe und wird auch die "Mutter aller Waffen" genannt.

Manche Systeme haben sich unabhängig voneinander entwickelt, so dass heute zwischen den japanischen und okinawesischen Methoden des Stockkampfes erhebliche Unterschiede bestehen. Trotz dieser Unterschiede gebraucht man auch in den okinawesischen Systemen häufig die japanischen Bezeichnungen (Bo, Jo, Hanbo, etc.).

Von grosser Bedeutung für die Entwicklung der Bo-Techniken auf Okinawa war der Einfluss der chinesischen Varianten, den Stock als Waffe zu benutzen. Dieser Einfluss fand unter anderem auf folgende Arten statt:

  • durch chinesische Gesandte, die mit der Aufrechterhaltung der diplomatischen Beziehungen zu den Herrschern der Insel beauftragt waren;
  • durch Vermittlung einiger Meister, die der seit 1392 in dem Dorf Kume ansässigen chinesischen Gemeinde angehörten;
  • dank einiger Elemente der chinesischen Stockkampfart, die durch Reisende auf die Insel eingeführt worden waren.

In einem Teil des chinesischen Bubishi (Wu Bei Zhi), das den Titel Shaolin Kunpo (die Methode des Shaolin-Stocks) trägt, steht geschrieben: Der Ursprung aller Kampfkünste liegt im Stockkampf, dessen Ursprung wiederum im Umfeld des Shaolintempels liegt. In einem anderen alten chinesischen Handbuch, dem Kikoshinsho, steht: Den Stock zu verwenden ist, als lese man "Die vier Bücher" und "Die sechs Theorien", was bedeutet, dass man nach dem Studium des Bo alles mit den anderen Kampfkünsten in Zusammenhang stehende leichter erlernt und versteht.

Bei der Art der "Bo-Kampfkunst" sei noch angemerkt, dass zwischen Kunpo und Bojutsu unterschieden wird. Kunpo (die Methode des Stockes,
根法) verweist auf dessen taoistische Grösse des Studiums, wo im Gegensatz das Bojutsu (棒術) bzw. Kunjutsu (根術) sich "nur" mit den Techniken beschäftigt.

Viele verschiedene Materialien wurden und werden bei der Herstellung eines Bo verwendet. Möglich sind z. B. das Holz der roten oder weissen Eiche, japanische Mispel, die Betelnuss- oder die Kubapalme. Dies alles sind stabile und biegsame Bäume, die aus subtropischen Gebieten stammen, zu denen auch Okinawa gehört. Besonders die Kubapalme weist gewellte Verästelungen auf, die eine Beschädigung fast unmöglich machen.


Betelnusspalme


japanische Mispel


chinesischer Ahorn


japanische Eiche

Zu Beginn benutzten die Einwohner Okinawas auch vielfach weisse chinesische Eiche oder roten Ahorn, dessen Import durch den Shimazu – Clan jedoch verboten wurde.

Der Stock von Okinawa unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht vom japanischen Bo, so z.B. in Länge, Form und Handhabung.

Die Standardlänge des Bo aus Okinawa liegt bei ungefähr 182 cm. In diesem Fall handelt es sich um den Rokushaku Bo (sechs Shaku langer Stock; 1 Shaku
= 10 Sun = 30,3 cm). Jedoch existieren ausser diesem Modell, bei dem es sich zweifellos um das am häufigsten verwendete handelt, noch andere:

Shoshaku Bo一尺棒ca. 30 cm
Tanbo短棒ca. 50 cm
Sanshaku Bo (Hanbo)三尺棒 (半棒)ca. 91 cm
Yonshaku Bo (Jo)四尺棒 ()ca. 1.21 cm
Rokushaku Bo (Bo)六尺棒 ()ca. 1.82 cm
Kyushaku Bo九尺棒ca. 2.72 cm
Bajobo (Pferdestock)馬上棒ca. 3.94 cm

Nebst nach Länge, werden die Stockarten auch nach ihrer Form und Art unterschieden:
丸太棒
四角棒
六角棒
八角形棒
竹棒
Maru Bo
Kaku Bo
Rokkaku Bo
Hakkaku Bo
Take Bo
rund
quadratisch
sechseckig
achteckig
Bambus

Im Gegensatz zum japanischen Bo, der meist zylindrisch ist, hat der okinawesische Kun einen bikonischen Querschnitt. Die Mitte des Stockes (Chukon-Bu) hat einen Durchmesser von etwa 3 cm, während der Durchmesser der beiden Enden (Kontei) ca. 2,5 cm beträgt.



Dadurch ist der Schwerpunkt der Waffe optimal platziert und ihre Handhabung erfolgt mit grösster Leichtigkeit sowie einem Höchstmass an Effektivität. Ausserdem ermöglicht eine bikonische Form des Kun, sich zu befreien, sollte man von einer mit einer Kette versehenen Waffe geblockt werden.

Wie bereits erwähnt unterscheiden sich das japanische und das okinawesische Bojutsu durch die Grifftechniken und die Handhabung:

häufig benutzt im okinawesischen Kobudo
häufig benutzt im japanischen Kobudo

Folgende Bilder zeigen zwei verschiedene Griffarten des Kobudo und einen Griffwechsel:
Honte Mochi (normaler Griff)
Heiko Mochi (paralleler Griff)

Direkter Wechsel - Jun mochikae
Gyakute Mochi
Bo zurückziehen und Griffwechsel vorne
Heiko Mochi
weiter zurückziehen und Griffwechsel hinten
Honte Mochi
Bo an Körper heranziehen (Gyakute Mochi)

Die ersten grossen Meister Okinawas waren Akahachi Oyakei, Matsu Higa und Aburaya. Es folgten Yara, Sakugawa, Matsumura u.a. Diese von den Meistern entwickelte Systeme werden heute im Kobudo als okinawesisches Bojutsu geübt.

Jeder dieser Meister hatte seine eigene Vorstellung vom Kämpfen mit dem Bo, und diese vertiefte er, in dem er beständig seine Kata übte. Eine solche Kata wurde entweder von ihm selbst entwickelt oder von einem anderen Meister übernommen. Die von früher überlieferten und heute bekannten Bo-Kata tragen meist den Namen derer, die sie entwickelt haben.

Name der Kata

Ära ihrer Gründung

Zeitraum

Ursprung/Gründer

Stil

Chatan Yara no Kun

Ryukyu-Königreich

1414 - 1867

Yara Chatan

Ryukyu Kobudo

Chinen Shikiyanaka no Kun

Ryukyu-Königreich

1414 - 1867

Chinen Shikiyanaka

Ryukyu Kobudo, Yamani-ryu

Choun (Shoun) no Kun

Ryukyu-Königreich

1414 - 1867

Soeishi von Ona, Shuri

Matayoshi Kobudo, Ryukyu Kobudo, Yamani-ryu

Hantagawa no Kun

Ryukyu-Königreich

1414 - 1867

Chikin Hantagawa

Ryukyu Kobudo

Sakugawa no Kun (Sho)

Ryukyu-Königreich

1414 - 1867

Sakugawa Satunushi

Matayoshi Kobudo, Ryukyu Kobudo, Yamani-ryu

Shushi no Kun (Sho, Dai)

Ryukyu-Königreich

1414 - 1867

Soeishi von Ona, Shuri

Matayoshi Kobudo, Ryukyu Kobudo, Yamani-ryu

Soeishi no Kun

Ryukyu-Königreich

1414 - 1867

Soeishi von Ona, Shuri

Yamani-ryu

Sueyoshi no Kun

Ryukyu-Königreich

1414 - 1867

Sueyoshi Shikana

Ryukyu Kobudo, Yamani-ryu

Tokumine no Kun

Ryukyu-Königreich

1414 - 1867

Tokumine

Matayoshi Kobudo

Shirotaru no Kun

Meiji-Restauration

1868 - 1912

Yamane Chinen

Ryukyu Kobudo

Sesoko no Kun

Meiji-Restauration

1868 - 1912

Arakaki Seisho

Ryukyu Kobudo

Yonegawa (Yuniga) no Kun

Meiji-Restauration

1868 - 1912

Yamane Chinen

Ryukyu Kobudo, Yamani-ryu

Kongo no Kun

Showa-Periode

1926 - 1989

Taira Shinken

Ryukyu Kobudo

Chikin no Kun, Tsuken Bo

-

-

Chikin Kouragawa

Matayoshi Kobudo, Ryukyu Kobudo, Yamani-ryu

Chikinsunakake no Kun

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-

-

Ryukyu Kobudo

Kubo no Kun

-

-

-

Matayoshi Kobudo

Kunishi Bo

-

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Shinkichi Kuniyoshi

Honshin - ryu

Shimajiri Bo

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Shimajiri Distrikt

Yamani-ryu

Shiishi no Kun

-

-

-

Matayoshi Kobudo, Ryukyu Kobudo

Sunakaki Bo

-

-

-

Yamani-ryu

Ufutun no Kun

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-

-

Matayoshi Kobudo

Urashi (Urasoe) Huntaguwa no Kun

-

-

Koragwa Tsuken

Ryukyu Kobudo


Nebst diesen alten Kata werden in vielen Dojo noch andere Grund-Kata (Kihon Kata) unterrichtet, die den Schülern den Einstieg erleichtern sollen.

Shoshaku Bo 一尺棒


Der Shoshaku Bo war eine kurzreichende Waffe, mit einem einem Durchmesser von 2,5 bis 3 cm und einer Länge von etwa 30 cm. Manchmal war er an beiden Enden zu einer sehr scharfen Spitze verjüngt. Auch kannte man Variationen, die an einem Ende eine Schnur oder ein Lederband befestigt hatten.

Geübte Kämpfer konnten den Shoshaku Bo auch werfen und besassen darin eine Treffsicherheit bis zu 12 m. Je kürzer die Stockwaffen waren, umso mehr betonte man ihre Verwendung zusammen mit den Techniken des Tode.

Tanbo 短棒 (Nitanbo 二短棒, Nichotanbo 二丁短棒)


Der Tanbo ist etwa 50 bis 60 cm lang, 3 bis 3,5 cm dick und wird gewöhnlich aus roter japanischer Eiche hergestellt. In den meisten Fällen wird er paarweise gebraucht (Nitanbo). Es gab Varianten, an deren Ende eine Schnur befestigt war, wodurch der Stock gewirbelt werden konnte.

Der Tanbo oder Nitanbo (zwei Tanbo) wurde von den okinawesischen Bauern zur Selbstverteidigung benutzt. Solche kurzen Stöcke waren vielfältig in ihrem alltäglichen Gebrauch und daher als Verteidigungswaffe sehr beliebt. Man suchte andauernd nach neuen Möglichkeiten und Varianten, und so entwickelten sich Techniken des Tanbo auf einer hohen Ebene. Obwohl es nahe zu liegen scheint, dass die Kampftechniken dieser Waffe von denen des philippinischen Stockes, der in der Kampfkunst Escrima/Kali/Arnis verwendet wird, beeinflusst sind, ist es wesentlich wahrscheinlicher, dass die Hauptquellen der Tanbo-Techniken in den Doppelstockformen (z.B. Qi Xing Jian, Chuan Xiu Jian, Sha shou Jian) des südlichen "Weissen Kranich" - Kung Fu zu suchen sind.

Im Laufe der Zeit entwickelten sich viele Variationen des Tanbo. Einige von ihnen hatten Spitzen über die gesamte Länge des Schaftes mit Ausnahme der Griffflächen. Heutige Abkömmlinge des Tanbo finden sich in den okinawesischen und japanischen Polizeiknüppeln.

Sanshaku Bo 三尺棒 (Hanbo 半棒)


Die frühen Formen dieser Waffen hatten ein kleines Loch am Stockende, woran eine Schnur oder ein Lederband befestigt war. Der Kämpfer wickelte es um sein Handgelenk, um zu verhindern, dass er seine Waffe aus der Hand verlor. Andere Varianten hatten eine längere Schnur, die um die Hüfte gebunden wurde, um den Bo auf diese Weise zu transportieren. Die Schnüre führten auch zu besonderen Verwendungen des Sanshaku Bo. Er konnte geworfen oder gedreht und an der Schnur wieder in die Hand zurückgenommen werden.

Der kürzere Bo hatte den Vorteil, dass er leicht zu verbergen war, jedoch konnte ein einzelner Schwertschlag ihn ohne weiteres zerschneiden. Aus diesem Grund unterscheiden sich die Techniken mit dem kurzen Bo sehr von den Techniken mit den langen Stockwaffen. Das wichtigste Merkmal ist hier die Überraschung. Dies bildet die Grundlage für alle Praktiken mit den kürzeren Waffen.

Die okinawesischen Meister lehrten, dass alle Techniken mit dem kurzen Bo sehr schnell sein mussten und dass auf die Ausweichbewegungen des Körpers ein grösserer Akzent gelegt werden musste, als bei anderen Stockwaffen. Die Abwehrbewegungen sind weit mehr auf Ableitungen der gegnerischen Angriffe bedacht, als zum Beispiel auf Blocken. Auch wurden Techniken entwickelt, mit denen eine sehr schnelle Richtungsänderung des Schlages möglich war (z.B. zwei kurze Schläge nacheinander ohne Unterbrechung).

Die meisten traditionellen Techniken mit dieser Waffe betonen kreisförmige oder stossende Bewegungen. Die Abwehrtechniken werden mit schwingenden Bewegungen ausgeführt, was die Deutung der klassischen Kata heute erschwert (dieselbe Bewegung kann ein Angriff oder eine Verteidigung sein). Gegen ein Schwert waren schnelle Bewegungen aus dem Handgelenk notwendig, während man mit Fussbewegungen beständig dabei war, den schneidenden und stechenden Techniken des Schwertes auszuweichen.

Yonshaku Bo 四尺棒 (Jo )


Der japanische Jo wurde von Muso Gonnosuke aus dem Katori Shinto Ryu entwickelt und bildete mit eigenen Techniken die Grundlage für das ebenfalls von Gonnosuke entwickelte System Shindo Muso Ryu. Die Legende besagt dass er dieses System entwickelte, nachdem er einen Kampf gegen Musashi Miyamoto verloren hatte. Er zog sich auf den Berg Homan in die Einsiedelei zurück und entwickelte dort einen kürzeren Stock und neue Techniken, mit denen er Musashi zu bezwingen hoffte. So entstanden die Techniken des japanischen Jo.

Während um den japanischen Jo eigene Methoden entwickelt wurden, blieb der okinawesische Yonshaku Bo davon weitgehend unbeeinflusst und wurde in seiner Weise ausschliesslich von den okinawesischen Kobudo-Meistern gebraucht.


Muso Gonnosuke

Der Yonshaku Bo ist etwa 1,20 m lang und hat einen Durchmesser zwischen 2,5 und 3 cm. Wie alle okinawesischen Stockwaffen wurde er vor der Invasion der Shimazu - Samurai aus chinesischer Eiche oder aus Ahorn gebaut. Danach dominierten die japanischen Hölzer, und es gab meist nur noch Stockwaffen aus japanischer roter Eiche. Der Durchmesser war gewöhnlich über die ganze Länge gleich. Gelegentlich wurde der Bo an beiden Enden zu einer sehr scharfen Spitze verdünnt.

Heute gebraucht man auch für den okinawesischen Yonshaku Bo weitgehend die Bezeichnung Jo und für seine Techniken die Bezeichnung Jojutsu. Obwohl dieser Waffe die Reichweite des Kyushaku Bo und des Rokushaku Bo fehlt, ist sie angenehmer mit einer Hand zu gebrauchen. Mit der Länge des Arms zuzüglich der Länge des Jo konnte man ausreichende Weiten erzielen.

Nachdem die Samurai Okinawa besetzt hatten, begann für die Bevölkerung eine harte Zeit. Die älteren Menschen wurden als unproduktiv bezeichnet und oft grundlos grausam behandelt. Da sie nicht mehr die Kraft ihrer Jugend besassen mussten sie sich auf den Gebrauch ihrer Gehstöcke verlassen. Heute glaubt man, dass der grösste Teil der Yonshaku-Techniken davon beeinflusst ist. Der Gehstock der Alten und der Yonshaku Bo waren ursprünglich dasselbe. Für ältere Menschen war er ein ideales Mittel, sich zu verteidigen.

Die Alten mussten sich dabei weit mehr auf Technik als auf ihre Kraft verlassen. Deshalb beruhen heute viele Techniken mit dieser Waffe, im Gegensatz zum japanischen Jo, auf Hebeln, Gleichgewichtsbrechen, Täuschungen und Techniken zu den Vitalpunkten des Körpers. Für die älteren Menschen war es niemals ein Problem mit einem Gehstock herumzulaufen, und deshalb konnte das Besitzen eines solchen Stockes nur schwer von den Shimazu-Samurai verfolgt werden. Auf okinawesischer Seite führte dies zu einem ungeheuren Aufschwung der kurzen Stockwaffentechniken. Der Gebrauch dieser Waffe beschränkte sich fast ausschliesslich auf die älteren Menschen, während die jungen die grösseren Stockwaffen (Rokushaku Bo) bevorzugten.

Da der Yonshaku Bo kürzer war als der Rokushaku Bo, konnte er im Angriff sehr schnell mit nur einer Hand von einem Ziel zum anderen umgelenkt werden. In der Verteidigung wurden gewöhnlich beide Hände verwendet, um den mittleren Teil des Bo zu unterstützen. Darauf bauten die okinawesischen Techniken dieser Waffe auf, während der japanische Jo vorwiegend, sowohl bei der Verteidigung, als auch bei Angriffstechniken, mit beiden Händen geführt wird.

Die Techniken des Yonshaku Bo wurden Generationen hindurch vom Meister an seinen Nachfolger weitergegeben, und es war nicht ungewöhnlich, dass die Meister ihre jungen Schüler in dieser Technik überhaupt nicht unterrichteten. Häufig wartete man damit, bis ein Schüler ein Alter erreicht hatte, in dem er die Einzigartigkeit und die Wirkung dieser Waffe tatsächlich verstehen konnte. Selbst heute noch ist es auf Okinawa üblich, dass die jüngeren Schüler in die Kunst der langen Stockwaffen eingeführt werden, während der Yonshaku Bo, der keine körperliche Kraft benötigt, von den älteren geübt wird.

Kyushaku Bo 九尺棒


Auf Okinawa wurde das Kämpfen mit dem Stock als Kunst und Wissenschaft angesehen. Jeder kleine Vor- oder Nachteil wurde abgewogen und entsprechend genutzt. Ein guter Kyushaku Bo musste vollkommen gerade und völlig frei von Unebenheiten sein. Seine Oberfläche war glatt poliert und musste reibungslos durch die Hände gleiten können.

Das grösste Problem für den Kyushaku Bo war seine Länge. Man konnte ihn nicht verstecken, und jedem, der durch Waffenkünste irgendeiner Art auffiel, drohte Lebensgefahr. Nicht immer konnte man einen Kyushaku Bo mit sich herumtragen und behaupten, es sei ein Wanderstab.

Die verschiedenen Bewegungen, die mit der Vielzahl der Bo möglich sind, müssen in Betracht gezogen werden, wenn man die Einzigartigkeit jeder einzelnen Bo-Variante verstehen lernen will. Wurde der Kyushaku Bo mit beiden Händen an einem Ende gegriffen, waren sehr starke Schlag-, Dreh- und Schwingtechniken möglich. Der lange Bo erzeugte darin eine ungeheure Kraft. Die alten Kobudo-Meister schätzten dies sehr, denn in einer Konfrontation mit einem bewaffneten Samurai war es nötig, den Kampf so früh wie möglich mit einer starken Technik zu beenden. Durch die differenzierten und hoch entwickelten Grifftechniken wurden solche Kampfmethoden möglich. Die Hände wurden so gesetzt, dass die Knöchel der Führungshand nach oben zeigten. Die Spitze des Bo zeigte in einem 45-Grad-Winkel nach aussen. Der Grund dafür war, dass der Bo in dieser Position nur schwer aus den Händen geschlagen werden konnte. Der Gegner hätte dazu von oben nach unten schlagen müssen. Dies war jedoch unmöglich, wenn sich die Bo-Spitze auf der Höhe seiner Augen befand. Diese Art der Handhabung ähnelt derjenigen in einigen Kung Fu Stilen wie z.B. Wing Chun.